Der „Hölper“ lehrt Platt
06.12.2014
 

Richard Sühling und Annemarie Schulte-Terhart unterrichten Platt in der St.-Sebastianschule

Dass "pass up" = "pass auf" und "Jupp" = "Josef" bedeutet, das haben 25 Grundschüler der St.-Sebastianschule in Raesfeld von Annemarie Schulz und Richard Sühling gelernt. Die beiden Mitglieder des Heimatvereins bringen den Kindern Plattdeutsch bei. BZ-Redakteur Frank Liebetanz durfte eine Stunde lang dabei sein, wenn die Kinder auf Platt „proaten".

RAESFELD. Plattdeutsch lernen jetzt rund 25 Kinder aus der St.-Sebastianschule in einer Arbeitsgemeinschaft. Allgemein wird über das Verschwinden dieser Sprachform geklagt, aber das Interesse der Kinder ist groß. Und viele Kinder haben bereits Paten aus der Familie oder aus dem Freundeskreis der Eltern, mit denen sie auf Platt „proaten“, wie es im Westmünsterland heißt.

Richard Sühling bringt Kindern aus der St.-Sebastianschule Plattdeutsch bei.

Große Resonanz

Bevor die Schule dieses Angebot unterbreitet hat, hatte sie beim Heimatverein angefragt, ob jemand in die Schule kommen wolle. „Am Abend vor der ersten Unterrichtsstunde am 2. September erfuhr ich völlig unvorbereitet von der großen Resonanz des Angebotes. Mehr als 40 Kinder hatten sich gemeldet, und ich stand plötzlich, stellvertretend für den Heimatverein, im Regen. Aber meine Zusage galt, sonst hätte sich der Heimatverein blamiert“, sagt der Vorsitzende Richard Sühling.

Verstärkung ins Boot geholt

Mittlerweile hat sich der Raesfelder Verstärkung ins Boot geholt. Denn er hatte bisher zwar plattdeutsche Lesewettbewerbe organisiert und auch mal Erwachsene unterrichtet, aber keine Kinder. Annemarie SchulteTerhart wiederum ist zwar auch keine Lehrerin, aber mit dem sogenannten Sandplatt aus dem Westmünsterland aufgewachsen und weiß als sechsfache Mutter, wie man mit Kindern umgeht.

Und die Frau hat Talent: Als es bei einem Text darum geht, was „Diss“ wohl heißen mag, klopft sie auf einen Tisch, und die Kinder verstehen das sofort. „Tisch“ rufen also einige in den Raum.

Ein Gedicht („Vertellstück“) des Borkeners Ludwig Walters war Grundlage einer Unterrichtsstunde, die Sühling und Schulte-Terhart immer dienstags von 12.40 bis 13.25 Uhr geben. Die Kinder sind dann schon ganz schön geschafft vom bisherigen Schultag, aber bis auf wenige Ausnahmen immer noch aufnahmebereit.

Annemarie Schulz -Terhart bildet mit dem Vorsitzenden des Heimatvereins ein

„Wat is dann Vaader?“, fragt Schulte-Terhart die Kinder. Na, das ist einfach. Mehrere Mädchen und Jungen melden sich, haben die Lösung „Vater“ parat.

 Unterschiede von Ort zu Ort

Das westmünsterländische Sandplatt wird als eine relativ einheitliche Mundart bezeichnet. Dennoch sind die Unterschiede von Ort zu Ort nicht zu unterschätzen. Das Sandplatt heißt so wegen des Mutter- oder Ertragsbodens in Abgrenzung zum Kleiplatt. „Klei“ bedeutet Lehm.

Aus dem Lehrprogramm „Grafschafter Platt (Bentheim) für den Schulunterricht“ und „Discovery“-Lehr- und Übungsbögen für den englischen Sprachunterricht für Neun- bis Zehnjährige hangele er sich von Stunde zu Stunde weiter, berichtet Richard Sühling. Die Zahl der Kinder sei zwar anfangs etwas zurückgegangen, „aber immer noch schwer zu bewältigen“. Da Sühling kein Lehrer ist, bezeichnet er sich selbst als „Hölper“ (Gehilfe).

 „Plattdeutsch-Paten"

Damit die Kinder das Platt im Alltag ausprobieren können, hat der Raesfelder angeregt, dass sich die Mädchen und Jungen jeweils einen „Plattdeutsch-Paten“ aussuchen. Das könne jemand aus der Verwandtschaft sein oder auch der Nachbarschaft. Einige Kinder haben bereits einen Paten. Oft ist es der Opa oder die Oma. Das kann ein schöner Anlass sein, miteinander in Kontakt zu bleiben.

Am Ende der Unterrichts-Stunde verabschieden die Kinder Sühling und Schulte-Terhart mit einem zünftigen „Hol di kreggel!“ Will heißen: „Bleib munter!“

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